F I  K T I O N S             T E X T E R E I                      



Das Buch-Lädchen

Leseprobe Geschichten & Fabeln für Kinder und Erwachsene

©Alle Rechte vorbehalten 2017/19/20 und weiter Sabine Heilmann

 

Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden

(Mark Twain)

 

Inhaltsangabe Für Kinder: 1. Pommes  2. Der schlaue Fuchs 3. Der kleine Elefant  4. Die Prinzessin und die Sonne 5. Der verspielte Prinz     6. Über die Weihnachten  7. Tina Träumchen und der Ont  8. Die seltsame Wanderung
Für Erwachsene: 9. Die tibetische Katze  10. Als Weihnachten einmal ausfiel  11. Der Hund  12. Trennungsprozess 13. Spaltung 14. Kunst ist eben Kunst!  15. Kopfkino  16. Grill-Thrill  17. Der magische Keller  18. Dompteur gefällig?  19. Das seltsame Interview

 

1. Pommes

Marlene saß am Tisch und hielt sich den Kopf vor Lachen. „Was sagst du? Verkleidete Kartoffeln?“ Sie blickte schließlich ungläubig hoch, als sie endlich genug gelacht hatte. Das Zebra scharrte vor Verlegenheit mit dem Vorderhuf auf dem Küchenboden. Es schüttelte leicht die Mähne, schürzte die Lippen und zeigte die Zähne, als wollte es ebenfalls beginnen, zu lachen. Dann schlug es einen scherzhaft lockeren Ton an: „Na klar, was denkst du denn? Denkst du etwa, dass Apfelbrei aus Äpfeln ist? Warum heißen wohl die Kartoffeln ‚Erdäpfel‘? Mein Vetter aus Frankreich, Gott hab ihn selig …“, dabei senkte er huldvoll leicht den Kopf, „…hat mir das schon vor Jahren beigebracht. Er nannte sie natürlich Pommes de terre. Das ist Französisch und bedeutet eben Erdapfel.“
„Aber, aber …“, lachte Marlene immer noch glucksend. „Ich habe doch auch schon selber beim Äpfelpflücken mitgeholfen und danach gab es immer Apfelbrei zum Nachtisch.“ Das Zebra rümpfte empört die Nase bei so viel Leichtgläubigkeit. Es stellte sich breithufig vor Marlene auf und ärgerte sich, dass es nicht, wie die Menschen, die Hände zur Verstärkung seiner Rede in die Hüften stemmen konnte. Als Ersatz stellte es wenigstens seinen Schweif steiler auf.

„Hör mal Marlene!“, sagte es eindrücklich und schob den Kopf fast ganz über den Küchentisch, nun Auge in Auge mit seiner kleinen Freundin. „Was glaubst du denn, warum ich hier bin? Etwa nur zu deiner Belustigung? Ha, ha, ha …“ So lachte es wiehernd wie ein Pferd, den Kopf schief haltend und charmant mit den Augenlidern klappernd – wie ein Clown-Zebra. „Nein, ich bin da, weil ich das uralte Zebra-Wissen mit dir teilen will – von Generation zu Generation weitergegeben.“                                                                                       Brüsk hob es den Kopf, schüttelte die Mähne, stellte den gesenkten Schweif schnell wieder auf und sah ganz so aus wie das stolzeste Zebra der Welt – gar nicht wie ein Pferd. Das musste Marlene einsehen, also fragte sie neugierig: „Und wie verkleiden sich dann die Kartoffeln in Apfelbrei?“ Das Zebra zierte sich ein wenig, noch etwas beleidigt von eben, dann warf es Marlene schließlich, mit erhobener Stimme, ein einziges Wort schmetternd auf den Küchentisch: „Tomatensoße.“ Marlene guckte nur erstaunt und ungläubig mit offenem Mund. „Tomatensoße“, wiederholte sie tonlos – ganz baff – und wartete auf die nähere Erklärung. Das Zebra wartete auch, aber auf etwas anderes und so herrschte für einen Moment ein durchdringendes Schweigen ...
 

11. Der Hund

Wandlung

Ich schaue erst noch einmal zum Zaun hinüber, sehe sie dort immer noch stehen, um dann endgültig eine Entscheidung zu treffen. So geht es jedenfalls nicht weiter! Seit etlichen Tagen nun schon, jeden Morgen zum Frühstück, steht dieses Mädchen dort am Zaun meines Grundstückes. Was will sie? Von mir? Ich fühle mich unangenehm beobachtet. Erstaunlicherweise hatte dieses Mädchen bereits einiges in mir in Gang gesetzt. Es stand, auch während des Tages, immer mal wieder nur da und schaute unverwandt – wie mir schien sehnsüchtig – zum Haus. Hatte ich etwas verbrochen, versäumt, nicht wahrgenommen? Meine Gedanken gingen im Laufe meiner Hausarbeiten öfter in die Vergangenheit zurück – prüfend, forschend, um irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, der mir diese unerklärlichen Blicke verständlicher machte.
Auf die Idee, das Mädchen einfach anzusprechen, war ich bisher nicht gekommen.
Jetzt aber reicht es mir! Nach einer Woche voll unerquicklichem Rätselraten will ich es am folgenden Morgen endlich wissen und gehe langsam zum Zaun. Ich habe mir schon Erwiderungen für eventuelle Ausreden zurechtgelegt. Das Mädchen aber schaut mich nur verwundert an und weicht einige Schritte zurück, als hätte ich sie bereits angebrüllt. Ich stehe dort mit in die Hüfte gestemmter Hand und komme mir plötzlich völlig überzogen und lächerlich vor. Dennoch frage ich sie nach ihrem Begehr – in lauterem Tonfall als gewollt. Keine Antwort, nur ein glasklarer Blick aus blauen Augen, unverwandt wieder aufs Haus gerichtet.
„Dann eben nicht“, drehe ich mich um und gehe abermals an meine Arbeit zurück - verärgert und irritiert - aber gewillt, diesen Vorfall nicht so ernst zu nehmen wie zuvor.

Ich erinnere mich an den Einzug in dieses Haus: Es hatte ein alter Mann hier gewohnt. Die Räume waren entsprechend verkommen gewesen, als er starb - weit über achtzig Jahre. Er hinterließ einen Hund, der aber bald nach ihm das Zeitliche segnete, wohl aus starker Anhänglichkeit zu seinem Herrn. Diesen Hund wollte ich ein paarmal füttern, dann gab ich es auf, denn er wollte absolut nichts zu sich nehmen. Ich rief das Tierheim an – er verschwand rechtzeitig vor deren Eintreffen für etliche Tage ...



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